Offener Brief an die Presse
von Werner Mauss

3. März 2017
deenes

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich wende mich mit meiner persönlichen Meinung in einem offenen Brief an Sie.

Medien klagen an. Zeugen sind eingeschüchtert. Betroffene werden in die Öffentlichkeit gezerrt, vorverurteilt und letztlich verleumdet. Und mit ihnen letztlich ihre gesamte Familie. Es stellt sich für mich die Frage:

Gerichte oder Medien: Wer hat Recht?

Es sind besondere Zeiten, postfaktische Zeiten. Zeiten, in denen immer mehr der Zweck die Mittel zu rechtfertigen scheint. Zeiten, in denen falsche Nachrichten erfolgreicher zu sein scheinen, als die Meldung von objektiven Tatsachen. Zeiten, in denen zunehmend die veröffentlichte und damit scheinbar allgemeine Meinung das Maß aller Dinge darstellt.

Die Medien tragen wesentlich zur Bildung der allgemeinen Meinung bei. Das ist zumindest ihr vornehmer Auftrag. Besonders im Vorfeld eines Ermittlungsverfahrens oder parallel zu einem Gerichtsprozess prägen die Medien das Bild der Prozessparteien oder eines Betroffenen. Jeder kann sich noch vor einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung ein vermeintlich eigenes Urteil bilden, letztlich ein „Urteil des Volkes“. Vom Grundgesetz geschützt, werden Medien häufig neben Judikative, Legislative und Exekutive als „vierte Gewalt“ im Staat bezeichnet. Aber mit welcher Rechtfertigung?

Eine Suche nach Antworten am Beispiel des Verfahrens gegen mich, Werner Mauss.

Auf der „Anklagebank der Presse“

Seit inzwischen zwölf Verhandlungstagen sitze ich auf der Anklagebank. Das Landgericht Bochum wird zeitnah darüber entscheiden, ob die von der Steuerfahndung gegen mich erhobenen Vorwürfe berechtigt sind. Bis dahin gelte ich nach dem Gesetz ohne jeden Zweifel als unschuldig. Verschiedene Zeugen hat das Gericht gehört. An jedem Prozesstag waren Vertreter der Medien anwesend. Das Interesse der Medien war unterschiedlich stark, außer bei einer Zeitung: Der Süddeutschen Zeitung.

Die Süddeutsche Zeitung berichtet regelmäßig über das Verfahren. Sie nimmt für sich in Anspruch, durch ihre vermeintlichen Enthüllungen zur Aufklärung beizutragen. Die Investigativ-Journalisten Hans Leyendecker und Georg Mascolo waren dabei „Männer der ersten Stunde“. Sie berichteten im Juli 2016 erstmals von dem Gerichtsverfahren. Vor allem vor dem Hintergrund der eigenen Leistung rund um die Veröffentlichung der „Panama Papers“ lassen sie keine Zweifel daran, dass mein Standpunkt und meine Einlassungen in diesem Verfahren nicht glaubhaft seien. Ohne die Beweisaufnahme abzuwarten, wird der verwaltete Treuhandfonds westlicher Geheimdienste schon vorab in die Nähe der Legende gerückt, also letztlich als Schutzbehauptung disqualifiziert.

Die Meinung á priori wird vorgegeben, Beteiligte durch angedrohte Öffentlichkeitswirkung bewusst beeinflusst. Das ließ dann vereinzelte Entlastungszeugen nicht kalt. Vor dem Hintergrund der angedrohten Berichterstattung über die Zeugen selbst und die zahlreichen Berichte über mich traten Erinnerungslücken auf. Vermeintliches Nichtwissen war plötzlich für manchen Zeugen der einzige Weg, selbst keinen Schaden in der Öffentlichkeit zu nehmen und so erfolgreich einer negativen Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung zu entfliehen. Wer kann dies den Zeugen verdenken? Bestätigten Zeugen dem Gericht meine Darstellung, führte dies gleichwohl nicht zu Zweifeln an der vorweggenommen, „journalistisch“ breit ausgearbeiteten Schuld. Gerade diese ungleiche Gewichtung im Rahmen der Berichterstattung lässt Zweifel aufkommen, ob die Süddeutsche Zeitung ihre Leser objektiv informieren will und kann. Vielmehr könnten die Süddeutsche Zeitung und deren journalistische Protagonisten ein Eigeninteresse an dem vorliegenden Verfahren haben, das die journalistische Objektivität gefährdet?

Ist der persönliche Kreuzzug der Journalisten Leyendecker und Mascolo ein Ablenkungsmanöver?

Unter Freunden? Mascolo mit dem Ersten ELN-Kommandanten und dessen Guerillakämpfern

Denn es waren gerade die Journalisten Leyendecker und Mascolo, die selbst in erheblichem Umfang vormals von dem vor dem Landgericht Bochum verhandelten Geheimfonds ausländischer Treugeber profitierten.

Leyendecker ist vielfach ausgezeichnet auch wegen zahlreich aufgedeckter Korruptionsaffären. Er war Beirat bei Transparency International, schreibt Bücher mit Titeln wie „Die große Gier – Korruption, Kartelle, Lustreisen: Warum unsere Wirtschaft eine neue Moral braucht.“1 Ein Anspruch an Moral, dem er selbst in dieser Sache kaum gerecht werden kann. Er dürfte dies wissen, wird er doch selbst zitiert mit der Aussage „Dass man als Journalist saubere Hände behält, glaube ich keine Sekunde“2. Auch Mascolo nimmt für sich in Anspruch, investigativ jede Spende auf deren Legitimität zu prüfen und kraft seiner Möglichkeiten öffentlich mit erhobenem Finger auf vermeintlich dubiose Geldflüsse hinzuweisen, immer auf der Spur der Vorteilsnahme.

Aber haben nicht beide in dieser Sache selbst kräftig hingelangt? Es gab eine Abenteuerreise auf Kosten westlicher Geheimdienste mit garantiertem Gewinn und offensichtlich ohne jedwede Skrupel.

Leyendecker: Zwang, Drang und Sturmgewehr.

Leyendecker: Kommandant ohne Grundwehrdienst

Von 1992 bis 1998 arbeitete ich in Abstimmung mit dem deutschen Bundeskanzleramt (Anlage 1) an einem Friedensprozess zwischen der ELN-Guerilla und der Regierung Kolumbiens unter Präsident Ernesto Samper (Anlage 2). 1995 wurde die geheimgeschützte Operation nach Aussagen von Leyendecker durch einen BND-Beamten an ihn verraten. Leyendecker wollte damals offenbar ohne Rücksicht auf den Friedensprozess seine Erkenntnisse veröffentlichen. Dies hätte das Ende der bundesdeutschen Friedensbemühungen bedeutet.

In dieser Zwangslage kam es zu einer Vereinbarung zwischen Leyendecker, der damaligen SPIEGEL-Geschäftsleitung und mir, das SPIEGEL-Team in ein ELN-Camp mitzunehmen. Vertraglich abgesichert erklärten sie, auf Veröffentlichungen im Zusammenhang mit mir zu verzichten (Anlage 3). Auf besonderen Wunsch von Leyendecker nahmen diese auch an einer zweiten Operation, konkret der Befreiung von Geiseln der ELN, teil.

Die Reisekosten in Kolumbien – insbesondere Charterflüge, Schnellbootcharter, Übernachtungskosten, Sicherheitspersonal und Verpflegung in Höhe von damals mehr als 380.000 DM – für Leyendecker, Mascolo und ihr Team wurden aus dem jetzt beim Landgericht Bochum verhandelten Treuhandfonds finanziert. Ich durfte annehmen, dass Leyendecker, Mascolo und ihr Team sich wenigstens selbst um ordnungsgemäße Arbeitspapiere und Drehgenehmigungen für Kolumbien, insbesondere für die Filmaufnahmen im Guerilla-Camp, bemühten. Dies war nicht der Fall. Um überhaupt mit ihrer Ausstattung einreisen zu können, zahlten Leyendecker, Mascolo und ihr Team die Zollbeamten und Grenzpolizisten bei der Einreise „unter der Hand“. Auch diese von ihnen ausgehandelte „Zahlung unter der Hand“ lies Leyendecker von mir begleichen.

Die Vollfinanzierung der Reise in Kolumbien war für Leyendecker und Mascolo selbstverständlich. Mit der Frage eines eigenen Beitrages befassten sie sich nicht. Genauso wenig scheinen sich die Journalisten mit der extrem gefährlichen Lage vor Ort auseinandergesetzt zu haben. Erst als schwer bewaffnete Kampfhubschrauber - Maschinengewehre im Anschlag - im Tiefflug auf uns und unsere Guerilla-Begleiter zuhielten, erkannten sie den Ernst der Lage. Auf Kommando der Guerilla sprangen wir in ein Maisfeld und konnten nur so unsere Leben retten. Einer der Journalisten lag zitternd, die Geschäftsleitung des SPIEGEL und sich selbst verfluchend neben mir. Er war im wahrsten Sinne des Wortes gezeichnet von der Angst um sein Leben. Die Verantwortung durften andere tragen. Sie selbst agierten und lebten aus fremder Tasche wie im Schlaraffenland.

Leyendecker: hört die Signale? Auf, zum letzten Gefecht?

Die Süddeutsche Zeitung mutmaßt aktuell über Telefonkosten, Steuergelder, Steuerhinterziehung. Der Wahlspruch ihres ehemaligen Ressortleiters Leyendecker war immer: „Links denken und rechts leben“.

Wenn man sich in Kolumbien links dreht, zahlt man dafür in Deutschland rechts Steuern?

Leyendecker: heimatverbunden über Satellit

Haben die Journalisten Leyendecker und Mascolo ihre erlangten Vorteile versteuert? Haben Leyendecker und Mascolo vielleicht durch private Rechnungslegung vom SPIEGEL für diese Reise Sonderhonorare erhalten?

Die gleichen Kommandanten, die im ELN-Camp dem SPIEGEL-Team für tagelange Interviews und Konferenzgespräche zur Verfügung standen, befinden sich heute in Friedensgesprächen mit dem zurzeit in Kolumbien amtierenden Präsidenten Santos. Der heutige Friedensnobelpreisträger Santos war mit dabei, als am 15. Juli 1998 im Kloster Himmelspforten die grundlegende Vereinbarung für einen Frieden in Kolumbien geschlossen wurde. Die damalige Konferenz in Deutschland wurde von mir über Jahre vorbereitet, unterstützt vom Bundeskanzleramt und der deutschen Bischofskonferenz. Entscheidende Verhandlungsführer flog ich damals persönlich aus dem Guerilla-Camp im Urwald Kolumbiens zu dieser Konferenz ein. Auch dies wurde absprachegemäß aus dem Treuhandfonds der westlichen Geheimdienste finanziert.

Gegenüber der linksgerichteten ELN wollten Leyendecker und sein Team damals punkten. Mit Urwaldgehölz wurde eine Bühne errichtet, auf der die Journalisten an einem Abend angetrunken und mit nicht endender Begeisterung Arbeiterlieder zu Ehren von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sangen.

Entwaffnet der sog. „Investigative Journalismus“ das Gesetz?

Unter Freundinnen? Leyendecker mit Guerillakämpferinnen

Eine Medienberichterstattung, die vor und während eines Verfahrens einseitig das Bild eines Betroffenen zeichnet, verurteilt diesen vorweg, egal mit welchem Ergebnis. Dies ist eine Gefahr für unsere Gesellschaft und ihr rechtsstaatliches Fundament. Urteile sind ausschließlich durch ein unabhängiges Gericht „im Namen des Volkes“ zu sprechen. Einem Gericht muss die Möglichkeit bleiben, Zeugen zu vernehmen, die weder beeinflusst noch eingeschüchtert sind. Kein Gericht würde es akzeptieren, würde ein am Verfahren Beteiligter einen Zeugen derart beeinflussen, wie dies im Falle der Süddeutschen Zeitung vor und während meines gesamten Verfahrens in der Berichterstattung und sogar in direkten Kontaktaufnahmen zu wichtigen Zeugen geschehen ist. Eine Berichterstattung über gerade diese direkten Kontaktaufnahmen zu wichtigen Entlastungszeugen wurde neben der Süddeutschen Zeitung auch NDR und WDR gerichtlich untersagt, bevor diese Entlastungszeugen nicht im Verfahren vor dem Landgericht Bochum ausgesagt haben (Beschluss des Landgerichts Berlin vom 22.09.2016, Aktenzeichen 27 O 494/16). Während NDR und WDR diese gerichtliche Entscheidung anerkannt haben, wollte die Süddeutsche Zeitung diese nicht akzeptieren.

Es sind die Medien, die durchaus meist zu Recht den Auftrag für sich reklamieren, Transparenz und Objektivität einzufordern. An diesen Maßstäben müssen sie sich selbst jedoch ebenfalls festhalten lassen. Die Süddeutsche Zeitung schreibt in der Sache Werner Mauss möglicherweise im eigenen Interesse. Sie ist nicht (mehr) objektiver Berichterstatter. Wäre sie dies, würde sie in ihrer aktuellen Berichterstattung offenlegen, dass sich Werner Mauss bereits mit zahlreichen Ansprüchen gerichtlich durchgesetzt hat und die Süddeutsche Zeitung sogar ein gerichtliches Ordnungsgeld in immenser Höhe zahlen musste, weil sie sich an gerichtliche Entscheidungen nicht gebunden sieht (Beschluss des Landgerichts Berlin vom 17.11.2016, Aktenzeichen 27 O 494/16 – Beschwerde beim Kammergericht anhängig). Die Süddeutsche Zeitung wähnt sich in dieser Sache offensichtlich selbst inzwischen über dem Gesetz. Wird der Rechtsstaat hier nicht mit Füßen getreten?

Und ihre „investigativen Speerspitzen“ Leyendecker und Mascolo?

Ein moralisches Urteil über beide Herren und ihre Rollen in und nach Kolumbien hatte sich damals Ida Mauss gebildet und in einem Brief an Leyendecker festgehalten (Anlage 4). Denn Leyendecker und Mascolo hatten sich nicht einmal an die erzwungene Vereinbarung gehalten und Bildmaterial allein zum eigenen Vorteil veröffentlicht. Es ist davon auszugehen, dass Ida und ich dafür mit zusätzlichen Monaten in rechtswidriger Haft in Kolumbien zahlten. Eine Haft, aus der wir lebend nicht entlassen werden sollten. Eine Haft, während derer unsere minderjährigen Kinder voll Angst um die Eltern zu Hause im Ungewissen warteten. Eine Haft, an der investigative Journalisten kräftig verdienten?

Jenseits der Moral, also in der Sache kann Leyendecker vermutlich selbst Antwort geben, auch weil er einmal erklärt hat: „Die Debatte über Korruption in den Medien wurde nie richtig geführt. Man sagte Motor- und Reisejournalisten seien korrupt – und da blieb die Debatte dann stehen“3.

Die Debatte um die Moral der Medien und ihrer Protagonisten muss – gerade in der heute so schnelllebigen Welt der Online-News – intensiv geführt werden. Vor allem, weil solche Journalisten wie Leyendecker und Mascolo Gerichtsverfahren und deren Ausgang beeinflussen können und damit Existenzen - auch von Familien - zerstören können. Das kann nicht der grundgesetzlich geschützte Auftrag einer „Säule unseres Staates“ sein! Journalismus oder Rufmord? Die Entscheidung liegt bei Ihnen!

„Rufmord kann schlimmer sein als Mord, denn der Betroffene muss unter der Last des Unrechts weiterleben“.

Ihr

Werner Mauss


1 https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Leyendecker
2 http://pressefreiheit-in-deutschland.de/leyendecker-dass-man-als-journalist-saubere-haende-behaelt-glaube-ich-keine-sekunde-44762/
3 http://pressefreiheit-in-deutschland.de/leyendecker-dass-man-als-journalist-saubere-haende-behaelt-glaube-ich-keine-sekunde-44762/

Anlagen

Bilder

Mascolo: Saludos Amigos!
Mascolo: Saludos Amigos!
Leyendecker: Immer einen Blick fürs Wesentliche?
Leyendecker: Immer einen Blick fürs Wesentliche?
Leyendecker: Stolz und Vorurteil?
Leyendecker: Stolz und Vorurteil?
Leyendecker: Freunde? Lasst uns trinken!
Leyendecker: Freunde? Lasst uns trinken!
Mascolo: Immer mit klarem Blick?
Mascolo: Immer mit klarem Blick?
Mascolo: rechts sitzen, links hören
Mascolo: rechts sitzen, links hören
Leyendecker: Indiana Jones unter Lebensgefahr auf dem Rio Magdalena
Leyendecker: Indiana Jones unter Lebensgefahr auf dem Rio Magdalena
Startseite Impressum