Werner Mauss in der Internationalen Presse  

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Übersetzung : La señora Mauss - Cambio

Wochenzeitschrift: "Cambio", Bogotá, Kolumbien

Artikel von Andrea Varela und Jesus Ortiz Nieves erschienen am  04.08.1997 in Cambio 16, Titelgeschichte

 

Die Berichterstattung dieses Artikels basiert auf der Nachrichtenlage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung.


Am 20. Mai 1998 wurde das Ehepaar Mauss in allen Anklagepunkten von der kolumbianischen Justiz rechtskräftig frei gesprochen.


Nach 18-monatigen Ermittlungen durch den Fiscal General de la Nación und den Procurador General - Staatsanwalt

u. a. gegen Behördenkriminalität - wurde richterlich festgestellt, dass das Ehepaar zu keinem Zeitpunkt während seiner Einsätze bzw. ersten Aufenthalte seit 1984 in Kolumbien gegen das nationale Recht verstoßen hat.

Laut Urteil war die Inhaftierung und die neunmonatige Untersuchungshaft ab November 1996 rechtswidrig. Wie festgestellt, basierte sie auf der Grundlage von Intrigen der Firma Control Risks und der kolumbianischen Polizeibehörde - Gaula Medellin - welche Strafgefangene manipulierte und zu Falschaussagen gegen das Ehepaar genötigt hatte. Diese gefälschten Beweismittel wurden später richtig gestellt und für illegal erklärt. Auszug aus freisprechendem Urteil [Link]

Von 1995 bis zur Festnahme 1996 führte das Ehepaar Mauss eine Friedensmission im Einvernehmen mit dem deutschen Kanzleramt durch.


Die Bundesregierung bestätigte dies in einer Regierungserklärung Anfang 1997, die sie zusammen mit einer Verbalnote (Nota No.:022/97) ausgestellt am 25. Januar 1997 durch den deutschen Botschafter in Bogotá der kolumbianischen Regierung, dem Fiscal General de la Nación und dem Generalstaatsanwalt von Antioquia übergeben ließ.


Siehe auch Brief vom 22. Mai 2001 an westliche Regierung, geschrieben vom damaligen Staatsminister im Bundeskanzleramt und Koordinator der deutschen Nachrichtendienste,
Herrn Bernd Schmidbauer, MdB,
[Link]
sowie:

Anerkennungsschreiben vom 22. November 2005 an Werner Mauss, des zur fraglichen Zeit amtierenden kolumbianischen Staatspräsidenten Ernesto Samper[Link]


Wochenzeitschrift: "Cambio", Bogotá, Kolumbien

vom 4. August 1997

La señora Mauss


Isabel Seidel, die intelligente und sinnliche deutsche Agentin, wurde zu einem der größten Rätsel, als sie mit ihren Ehemann, Werner Mauss, in Medellín festgenommen wurde. Sie half bei der Befreiung von Geiseln im Libanon, nahm an Operationen in Kambodscha und Thailand teil und erreichte beinahe den Waffenstillstand mit der ELN.

Der folgende Artikel wurde exklusiv von Cambio 16 veröffentlicht und basiert ausschließlich auf Aussagen von Personen die dem Ehepaar Mauss nahe stehen; von Mitinsassen im Gefängnis sowie auf journalistischen, politischen und familiären Quellen, die in Deutschland und Italien befragt wurden. Alle bitten darum ihre Identität nicht preiszugeben.

Vom 14. Stock des Marmorturms in dem sie jetzt leben, sehen Isabel Seidel und ihr Mann Werner Mauss zu wie die ersten Lichter der in Bogotá einfallenden Nacht erleuchten. Die genaue Lage dieses Gebäudes ist derzeit eines der best gehütetsten Geheimnisse, welches die Behörden in Deutschland und Kolumbien wahren.
Nur wenige Wochen noch, bis die Justiz endgültig über ihre rechtliche Situation entscheidet: Vor acht Monaten wurden sie von der Polizei als internationales Terroristenpaar vorgstellt, welches in den kolumbianischen Urwäldern Entführungen plante. Mit einer Anklage über Delikte die bis zu 60 Jahren Gefängnis bedeutet hätten, wandelte sich ihre Situation nachdem die schweren Anschuldigungen gegen sie wie ein Kartenhaus zusammenfielen und Dank des Rechtsmittels des „Habeas Corpus“, so dass sie nun ihre Freiheit genießen können. Nach Aussage ihrer Anwälte kann das Paar in weniger als einem Monat mit einem Freispruch rechnen.

Mit diesem Epilog wäre dann für das Ehepaar Mauss das dramatischste Abenteuer welches sie in den letzten 16 Jahren als zivile Mitarbeiter der Deutschen Regierung erlebt haben beendet. Weder die Befreiung Deutscher die von Husseins Truppen während der Invasion von Kuwait entführt wurden, noch Verhandlungen mit Terroristen im Libanon, noch die Überführung des ELN-Kommmandos nach Deutschland, noch die unzähligen Operationen in Thailand und Kambodscha fanden für das Ehepaar Mauss ein solches Ende wie die Befreiung einer Landsmännin am 17. November 1996 am Flughafen in Rionegro in Antioquia: Acht Monate Gefängnis. Mehr noch: 30 Jahre Geheimdienst-Operationen, alle im Auftrag der Regierung seines Landes, ließen bei Werner Mauss nur eine Spur zurück, nämlich den Verlust des dritten Fingergliedes des Mittelfingers der linken Hand. Und das verlor er beim Springen über Hindernisse während eines Reitturniers.

Frau Isabel

Als sie der Presse an dem besagten Sonntagmorgen vorgestellt wurden, schrien einige Journalisten den Beamten die sie bewachten zu: „200.000 Pesos wenn sie die Brille abnimmt“. Isabel Seidel trug eine Sonnenbrille und ihre Personalien waren in diesem Moment nicht bekannt. Die Information des Nachrichtendienstes der Anti-Entführungsgruppe die sie gefangen nahm beschränkte sich auf Werner Mauss.

Aber nicht nur zu diesem Zeitpunkt waren ihre Personalien unbekannt. Sie sind es auch heute noch: Ihr richtiger Name wurde aufgrund einer Entscheidung der deutschen Regierung, die dem Ehepaar für jeden einzelnen zu bearbeitenden Fall und je nach Art ihrer Tätigkeit einen anderen Namen gibt, aus den offiziellen Einträgen gelöscht. Sogar bei ihrer Heirat am 11. Juli 1983 verlieh die deutsche Regierung Mauss eine besondere Identität. Zwei Wochen später heirateten sie noch einmal unter dem Namen Mauss. Der Trauzeuge, der in Kolumbien „Padrino“ genannt wird, war Hermann Höcherl persönlich; der erste Innenminister Deutschlands nach dem Krieg unter der Regierung von Konrad Adenauer. In Kolumbien reisten sie mit Pässen auf den Namen Jürgen und lsabel Seidel ein. Bereits im Land, präsentierte die Deutsche Botschaft sie als “Herrn Norbert Schröder und seine Frau“. Das inne haben zweier Identitäten verschärfte ihre Probleme vor der Staatsanwaltschaft.

lsabel wurde am 21. März 1961 auf Sardinien geboren, einer paradiesischen Insel im Westen Italiens. Ohne es bestätigen zu können wird behauptet, ihr wirklicher Name sei Alida Maria Letitia.

Mit neun Jahren hatte sie bereits Salgari, Dickens und Mark Twain gelesen, Klassiker der Kinderliteratur. Als sie „Sandokan und Die Piraten von Malaysia“ verschlang, staunte sie darüber wie Salgari über Urwälder und Länder schreiben konnte, die er nie gesehen hatte. Ihre Leidenschaft für Literatur ist allgegenwärtig: Nützlich, in den langen Wochen die sie im Zimmer eines schäbigen Hotels in Beirut verbrachte, und zusammen mit ihrem Mann auf einen Anruf von jemanden wartete der ihnen eine Adresse geben sollte und auch an den unendlich langen Nachmittagen im Gefängnis „El Buen Pastor“ in Medellín.

Wie hat sie Mauss kennen gelernt? 1991, als sie 20 Jahre alt war, studierte sie Politikwissenschaften in ihrem Heimatort. Der Zufall führte den Deutschen während seiner Arbeit als Geheimagent dorthin. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits 14 Jahre von der Regierung seines Landes mit Spezialaufträgen betraut. Es entwickelte sich eine Romanze, die schon nach kurzer Zeit zu einer der leidenschaftlichsten und rätselhaftesten Liebes- und Abenteuergemeinschaften des 20. Jahrhunderts wurde. "Manchmal brauche ich sie nur anzuschauen und sie weiß was sie tun muss", soll Mauss irgendwann gesagt haben.

Bei einer Gelegenheit kamen Kontaktpersonen der ELN ins Hotel in dem sie wohnten und teilten ihnen mit, dass es nicht ratsam sei die von ihnen geplante Reise anzutreten, da es viele Militärkontrollen gäbe. Sie entschied, dass sie es trotzdem alle Risiken auf sich nehmen würden. Mauss respektierte ihre Entscheidung, „denn wir reisten mit einem Priester und die Kirche wird von allen respektiert; von der Guerilla, vom Heer und von den Paramilitärs.“

lsabels Charakter tritt klar in einem Brief zutage, den sie der Kolumnistin Lucy Nieto von Samper aus dem Gefängnis schickte, die behauptet hatte, dass Mauss „ein internationaler Händler“ wäre der „die Behörden mit seinen angeblichen humanitären Aufgaben eingewickelt hätte“. lsabel schrieb ihr zurück „ich habe mehr Angst vor dem emotionalen Analphabetismus der gebildeten Personen als vor den Paramilitärs und der Guerilla, denn bei denen weiß man wenigstens wo man dran ist.“

Die beiden sind sehr zurückhaltend mit ihren persönlichen Daten. Mitte 1995 waren sie in den kolumbianischen Urwäldern und trafen sich dort mit der höchsten Führung der ELN. Sie wurden von Journalisten der deutschen Wochenzeitschrift Der Spiegel begleitet, mit denen sie vorher einen Vertrag unterzeichnet hatten: Für jedes Foto von ihnen, das von der Zeitschrift ohne Genehmigung veröffentlicht wurde, würde die Wochenzeitschrift jeweils eine „Strafe“ von 50.000 DM zahlen (ungefähr 30 Millionen Pesos). Da die Journalisten auch ein Video für das Fernsehen drehten und dieses mit Bildern von ihnen ausgestrahlt wurde gehen Vertraute davon aus, dass Bild für Bild aneinander gereiht, dies tausende von „Fotos“ ergäbe, die unter die vertraglich geregelte Strafzahlung fallen werden.

Die die lsabel im Urwald gesehen haben, sagen, sie sei wendig wie ein Reh. Dies hat seinen Grund: Sie ist Berufsportlerin und hat auf Sardinien drei Leichtathletikwettbewerbe gewonnen Diese Leidenschaft zum Sport hat sie seit ihrer Kindheit. Einige ihrer Freundinnen aus der Kindheit erinnern sich, dass wenn sie in der Schulzeit den Bus verpasste, sie diesem hinterher rannte und laufend zum Unterricht kam.

Der Auftrag 1995 in den kolumbianischen Urwäldern war ein Teil ihrer wichtigsten Aufgaben die ihnen die deutschen Regierung in enger Zusammenarbeit mit der kolumbianischen Regierung anempfohlen hatte: Einen Friedensprozess mit der ELN in die Wege zu leiten. Die Agenten schafften etwas schier unglaubliches; sie holten Gabino und Antonio Garcia, zwei Mitglieder der Spitze der Guerillagruppe und weitere 19 Mitglieder des Zentralkommandos aus dem Land, brachten sie nach Deutschland und setzten sie in Bonn Staatsminister Schmidbauer, der rechten Hand Bundeskanzler Helmuth Kohls, gegenüber. „Wenn sie einen Friedensprozess wollen müssen zu allererst die entführten Deutschen frei gelassen werden und dann alle anderen Entführten.“ sagte ihnen der Minister laut einer deutschen Quelle von der Einzelheiten bezüglich dieser Zusammenkunft bekannt wurden. Der Aufenthalt in Europa sollte zu einer unvergesslichen Erinnerung für die kolumbianischen Guerilleros werden. Das Ehepaar Mauss brachte sie nach München, Wien, London, Rom und Moskau; lud sie in die Oper ein und führte sie an den Ruinen der Berliner Mauer entlang.

Die vorher bereits abgeschlossenen geheimen Abmachungen trugen nun Früchte; Mitte Juli 1996 reiste Minister Serpa nach Deutschland. Der ersten Verhandlungen zwischen der Regierung und der Guerilla sollte im Dezember 1996 stattfinden, der Waffenstillstand war für Anfang Januar dieses Jahres abgesprochen; alles dies unter der Schirmherrschaft der deutschen Regierung und der Katholischen Kirche beider Länder. Dann wurde in Rionegro (Antioquia) Frau Brigitte Schöne, Ehefrau eines leitenden Angestellten entführt. Bei der Ausführung ihrer Befreiung wurde dann das Ehepaar Mauss in den frühen Morgenstunden des Sonntags, 17. November, festgenommen.


Nach Aussagen von Personen die in den Prozess eingeweiht sind, werden Untersuchungen darüber angestellt, ob die entführte Frau dem Ehepaar Mauss „entrissen“ wurde und Minuten später im Hotel Intercontinental in Medellín einem Mitarbeiter der britischen Sicherheitsfirma Control Risk „übergeben“ wurde, die ihrerseits für den Ehemann der Frau Schöne eine Versicherung gegen Entführungen in Höhe von sechs Millionen Dollar kassiert haben soll.


Der Fall Mauss steht seitdem im internationalen Licht. Außer der Tatsache, dass Control Risk mit Hilfe der Behörde gegen Entführungen (Gaula) intrigierte um das Ehepaar Mauss festnehmen zu lassen, liegen in den Unterlagen die Aussagen der Festgenommenen, Mariano Humberto und Victor Buitrago, denen wegen ausgeführter Entführung der Prozess gemacht wurde, die besagen, dass diese in ihren ersten Aussagen die sie gegen das Ehepaar Mauss abgaben, von der Gaula unter Druck gesetzt wurden. Mit anderen Worten ihnen wurde Geld angeboten, damit sie gegen die Deutschen aussagten.

lsabel Seidel ist kleiner Statur, ungefähr 1.70 m groß, grüne Augen und wohlgeformte Beine. „Sie ist wie eine Eule; sie hat einen durchdringenden Blick, hört aufmerksam zu und spricht fast gar nicht“, sagte eine ihrer Mitinsassinnen aus, die mit Ihr die Gefangenschaft in Medellín teilte.

Sie spricht und schreibt perfekt vier Sprachen: Italienisch, Spanisch, Englisch und Deutsch. Sie versteht gut Französisch. Im Gefängnis gab sie Englischunterricht, wusch ihre Kleider selbst und machte den Fußboden sauber. Sie stand vor fünf Uhr morgens auf und lief zusammen mit einigen Gefangenen um den Hof herum. Von Anfang an wurde sie den Gefangenen mit extremen Sicherheitsmassnahmen zugeteilt. Sie schlief allein in einem Zimmer das 1.60 mal 1.80 Meter groß war und anfangs schauten die Wächter mit Laternen dreimal pro Nacht herein.


Im Gefängnis Buen Pastor befand sie sich unter Mörderinnen, Angehörigen von Paramilitärgruppen, Guerillafrauen und Frauen die Drogen transportiert hatten. Einige von ihnen waren Lesbierinnen. „Ich bin immer von ihnen respektiert worden.“ erzählte sie später. Als sie nach Itagüi überführt wurde um ihren Mann zu besuchen, geschah dies in einem kleinen Tankwagen der sich den Weg durch die Menge bahnte und „die ganze IV. Brigade“ bewachte sie, so erinnert sich eine ihrer Gefährtinnen. Einmal erhielt Mauss einen handgeschriebenen Brief in dem 10.000 Dollar verlangt wurden, damit sie ihn häufiger anrufen und besuchen könne. Als dieses im Gefängnis bekannt wurde, wurde entschieden sie ins Gefängnis in Itagüi zu überführen, dorthin wo Mauss sich befand. Da es in diesem Gefängnis keine Abteilung für Frauen gibt, wurde eine solche in der Nähe des Hofs ihres Mannes improvisiert und sie wurde zusammen mit drei anderen festgenommenen Frauen dorthin gebracht. Das war gegen Ende ihrer Haftzeit.


Im Buen Pastor konnte lsabel nur auf den Gefängnishof gehen. Da sie zu den Gefangenen mit extremen Sicherheitsvorkehrungen eingeteilt war, war es ihr nicht erlaubt das Theater oder die Werkstätten zu besuchen. Nach einiger Zeit wurde ihr erlaubt samstags der Messe beizuwohnen. lsabel ist Vegetarierin. Im Gefängnis musste sie sich daran gewöhnen Reis mit Bohnen zu essen und das wenige Fleisch das ihnen ab und zu zugeteilt wurde. Wenn ihre Anwälte sie aufsuchten, brachten sie ihr Pizza mit, die sie mit ihren Gefährtinnen teilte. Nie verlor sie ihren Sinn für Humor. Sie sagte, dass ihr Lieblingsessen „Ei auf Spezialart“ war: Salat, Kartoffeln und Reis mit einem Ei darauf. Abends ließ sie das Essen aus. Einmal war eine Gefangene ihre Begleiterin, die wegen einem kleinen Diebstahl in einem Geschäft angeklagt war. Sie war nur zwei Wochen dort aber danach besuchte sie häufig. „Weshalb kommst du so oft zu Besuch?“ fragte sie das Mädchen bei einer Gelegenheit und das Mädchen gestand nervös: „Ich soll sie umbringen.“


Mauss´ Ehefrau wechselte das Lesen mit dem Sport und dem Stricken ab, was sie perfekt kann. Sie lernte es von Kind auf. „Meine Mutter sagte, dass jedes Mädchen viele Sachen lernen muss, damit sie so einen guten Mann bekommt“, so gab sie ihre Erinnerungen an die Gefährtinnen weiter. Diese respektierten sie zutiefst. Einmal bewaffneten sich zwei Gefangene mit zerbrochenen Flaschenhälsen zum Kampf. Sie wollte sie trennen. Die anderen baten sie es zu lassen. Schließlich trug sie doch dazu bei das Gefecht zu beenden. Bei einer anderen Gelegenheit spielten sie Volleyball und der Ball fiel auf den Teller einer Gefangenen die sie anzugreifen drohte und alle erschraken. lsabel näherte sich ihr und sagte: Willst du mich jetzt schlagen, oder später?“

Als sie ins Gefängnis kam tanzte sie mit Sprüngen, so wie die Europäer tanzen und jetzt tanzt sie Son und Porro (Volkstänze). Sie hatte zwei Uhren: Eine mit der deutschen Uhrzeit, um sich vorstellen zu können was ihre Kinder in Deutschland machten, und eine zweite mit der kolumbianischen Uhrzeit. Ihre drei Kinder waren ihre größte Sorge. Eines ist vierzehn Jahre alt, das andere 10 und das dritte sechs. In den ersten Monaten fühlte sie sich nicht dazu imstande mit ihnen zu sprechen. Für die Mauss stehen sie an erster Stelle: „Das Wichtigste für die Kinder ist, ihnen Liebe zu schenken und sie mit Disziplin zu erziehen“, sagte sie. „Bloß weil man im Gefängnis ist darf man sich nicht in die Ecke stellen. Überall und von jedem kann man etwas lernen.“ sagte lsabel zu ihren Mitinsassinnen.


Einer der Momente an den sie sich am meisten erinnert, so ihre Mitgefangenen, war als der regionale Leiter der Staatsanwaltschaft von Medellín, Fernando Enrique Mancilla Silva, in ihre Zelle im Buen Pastor kam. Sie fand es sofort merkwürdig, dass ein regionaler Staatsanwalt ein Gefängnis besuchte, weil es beim gerichtlichen Vorgehen nicht üblich ist. Diejenigen die das Büro von Mancilla kannten hatten nicht gerade den besten Eindruck. Es war voll mit überdimensionalen Bildern von nackten Frauen. Zu dieser nachdenklich stimmenden Tatsache summieren sich die Fehler, die die Staatsanwaltschaft nach Meinung der verteidigenden Anwälte machte. Die Versionen der Zeugen wurden nicht genauer überprüft, denn die ersten Zeugenaussagen gegen die Mauss ergaben sich aus der Tatsache, dass die Gaula Druck ausübte. Der Besuch Mancillas war eines der Vorkommnisse für lsabel, die sie am meisten aus der Fassung brachten, einigen ihrer Mitinsassinnen nach zu urteilen.


Beim Verlassen des Gefängnisses ließ sie alles zurück: Die orthopädische Matratze die ihr die Deutsche Botschaft gebracht hatte, die Decken, das Kopfkissen. Vorher schon hatte sie die Stiefel verschenkt, die sie am Tag ihrer Inhaftierung anhatte. Fast sieht es so aus als ob es schon eine ihrer Gewohnheit ist Schuhe zu verschenken. Bei einer Gelegenheit fuhren sie nach einem Gespräch mit den Guerillaführern der ELN in einem Jeep einen unasphaltierten Weg entlang. Auf einer Seite gähnte ein tiefer Abgrund und auf der anderen befand sich ein schroffer Berg. Der Wagen blieb im Schlamm stecken. Alle mussten anschieben und sie musste sich von den Wegführern ausschimpfen lassen als diese bemerkten, dass sie keine Schuhe trug. „Ich hatte sie einer Guerillafrau geschenkt der sie so gut gefallen hatten.“


Manchmal bekam sie Depressionen. „Worüber machst du dir Sorgen“, sagten ihre Mitgefangenen. „Du hast doch Geld und Geld kann alles.“ Dann antwortete sie sehr energisch, dass Geld alleine nicht wichtig ist. „Die Autorität und der Respekt müssen Stück für Stück gewonnen werden, ohne Geld.“

Wenige Tage nachdem sie ins Gefängnis gekommen war fuhr sie sich mit der Hand über den Kopf und ein Büschel Haare blieb in ihrer Hand hängen. Da merkte sie, dass ihre Haare auf alarmierende Weise ausfielen. Eine Mitinsassin die etwas von Haarpflege verstand machte einige Behandlungen die ihren Haarausfall schließlich stoppten.

Die Religionen, so sagte sie, haben im Grunde eine wunderbare Bedeutung, aber sie sind materialistisch geworden und wenn die Leute keine Figuren oder Bilder haben können sie ihre Religion nicht ausüben. lsabel war fassungslos über die Geschichten der Mörder, die sich an der Heiligen Jungfrau anlehnten und in ihrem Namen grausame Verbrechen begingen. „Die Kriege für eine Religion sind das Schlimmste was es gibt.“ sagte sie. „Schlimmer als die politischen Kriege?“, fragte sie eine wegen Aufsässigkeit Verurteilte. „Tausend Mal schlimmer!“ antwortete sie. Jemand der politische Gewalt ausübt hat dafür Gründe und denen muss man zuhören. Bei den Religionskriegen ist der Fanatismus so schlimm, dass der, der jemanden umbringt, dies für einen Gott tut. Dann müsste man mit diesem Gott verhandeln. Als der Krieg in Kuwait ausbrach beauftragte die deutsche Regierung Mauss damit die deutschen Geiseln zu befreien, die sich in den Händen von Husseins Truppen befanden. Niemand wollte diese Aufgabe durchführen, aber bald sahen sie ein, dass die Invasoren Gründe hatten und nur wollten, dass ihnen jemand zuhörte.

Während ihrer Laufbahn als zivile Mitarbeiter der deutschen Regierung haben sie oft den Neid des „normalen“ deutschen Nachrichtendienstlers geweckt. Privat sind die Mauss stolz darauf, dass sie bei der Festnahme von 2.000 Verbrechern geholfen haben und etwa 100 kriminelle Organisationen entlarvt haben.
Deshalb fühlten sie sich wie in einem falschen Film, als sie zum ersten Mal in ihrem Leben gefangen genommen wurden.


Als sie an jenem Tag in die Kerker, die die Gruppe gegen Entführungen in Medellín unterhält, überführt wurden, fühlte Isabel sich unglaublich einsam. „Ich brauchte jemanden der mir Mut gab, aber in den schlimmsten Momenten des Lebens ist man immer allein.“ gestand sie später einer Mitinsassin.

Werner Mauss war in dieser Zeit nur um seine Frau besorgt. Er wusste, dass die deutsche Regierung sie in jeder Hinsicht unterstützte, aber er machte sich Sorgen um das Schicksal seiner Frau. Dies sorgte ihn mehr als seine geringen Spanischkenntnisse. Das war nicht wichtig. Er machte sich mit den Händen, mit Gesten und Grimassen verständlich. Die ersten die ihn im Hochsicherheitsgefängnis in Itagüi empfingen waren der harte Kern des Medelliner Kartells. Im Gegensatz zu ihm, der die Stunden bis zu seiner Entlassung aus der Gefangenschaft zählte, fürchteten die ehemaligen Stellvertreter von Pablo Escobar den Tag an dem sie aus dem Gefängnis entlassen würden, da das für sie den Tod bedeutete.


Mauss ist ein sehr disziplinierter Mensch. Vom ersten Tag an machte er sich daran sämtliche Information mit seinen Anwälten zu ordnen. Er hatte keine Geduld dazu, so sagte er später, Musik zu hören oder zu lesen. Seine Tage vergingen im Gespräch mit seinen Anwälten und mit den Gedanken an lsabel.


„Das kann ja auch gar nicht anders sein, wo wir so viele Jahre gemeinsam zwischen der Liebe, dem Leben und dem Tod verbracht haben." hörte man Mauss in diesen luxuriösen Gebäude irgendwo in Bogota sagen, in dem sie wie Gefangene darauf warten, dass die Justiz das letzte Wort in ihrem Fall spricht.

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